Wir wollen in die Sonne. Auf Sardinen haben wir umgeben von unseren FreundInnen einen sehr weichen Einstieg in unser großes Abenteuer. In „Campidarte“ finden wir einen italienischen Familienanschluss und einen Ort zum Ankommen.
Nun geht es mit dem Flixbus in die Sonne. 18 Stunden von Düsseldorf nach Genua. Ohne Lüftung, WLAN und Strom, dafür im überfüllten Bus und 43 weiteren Reisenden. Wir sind jedoch auch nicht die beliebtesten NachbarInnen, denn unsere Lunchpakete sind die Reste aus unserer Tiefkühltruhe, die überwiegend aus Grillgut und Thunfischsalat bestehen. Zwar gut getarnt in Ciabatta Baguettes wovon wir zur Abschiedsfeier ca. 50 zu viel gekauft hatten, aber unser Picknick dürfte man im ganzen Bus riechen.
Eigentlich wollten wir von zu Hause aus trampen, aber da Chris noch die Woche vor der Abreise mit Grippe flach lag und wir noch die Sonne auf unserer Haut spüren und im Meer schwimmen wollen, beschließen wir erstmal einen Bus zu nehmen.
In Genua besteht unsere erste Challenge darin ein Café mit WLAN zu finden, denn unser Bewerbungsgespräch für unser baldiges Winterquartier steht an. Da es in Europa mit dem Zelt im Winter doch recht kalt wird, haben wir uns dazu entschlossen, den Winter dann auch richtig mitzunehmen. Wir wollen in Österreich in einem Hotel arbeiten und auch möglichst oft Ski fahren gehen. Wir haben gerade die Nachricht bekommen, ob wir in einer halben Stunde mit dem Restaurantleiter des „Löwenhotel Montafon“ telefonieren könnten. Wir sehen natürlich ganz seriös aus, nach 18 Std. Busfahrt ohne Dusche am Morgen. Außerdem sitzen wir in irgendeiner Gasse in Genua mit schlechtem WLAN, welches wir gerade noch gefunden haben. Das Gespräch ist sehr kurz aber super freundlich. Wir checken parallel auf dem Telefon, wo der Ort Schruns liegt und sagen direkt zu. Irgendetwas scheinen wir richtig gemacht zu haben. Erst später sehen wir, dass es sich um ein 4**** Superior handeln wird, in das wir absolut unerfahren mit unseren Rucksäcken stolpern werden.
Ein sanfter Einstieg – Übernachtungen bei FreundInnen
Von Genua geht es mit der Fähre weiter nach Olbia. Außerdem treffen wir recht spontan unsere FreundInnen Annika und Christian, die auch gerade Urlaub auf Sardinen machen und die nächsten Tage im Norden der Insel unterwegs sind. Die erste Couch, die wir beziehen ist also in der Ferienwohnung der beiden. Wir werden am Anleger der Fähre in Empfang genommen und wir fahren direkt weiter zur Insel „La Maddalena“. Auf dem Rückweg kaufen wir für das Abendessen ein, zaubern zweierlei Pasta und probieren uns durch diverse sardische Biere. Auch den nächsten Tag verbringen wir gemeinsam, denn es geht zur Bucht „Cala Luna“. Wir machen eine vierstündige Wanderung, die wir natürlich wieder unterschätzt haben und so kommen wir im Dunkeln am Auto an.
Wenig später fallen wir über die Pizza her, die wir im nächsten Ort am Strand essen. Annika und Christian fahren anschließend zurück zu ihrer Airbnb Wohnung. Chris und ich wollen Morgen weiter und übernachten daher die erste Nacht im Zelt in Dorgali. Es ist schon Dunkel und nach drei Versuchen geben wir auf und schlagen unser Zelt quasi direkt an der Straße auf, aber wir haben einen Zeltplatz. Das ist die Hauptsache.
Am nächsten Morgen wagen wir unseren ersten Tramper-Versuch und siehe da. Während ich noch überlege, ob es hier wohl funktioniert, hält ein englisches Ehepaar und nimmt uns im super kleinen Fiat Punto Mietwagen mit. Hieran werden wir uns jetzt wohl gewöhnen müssen. An der nächsten Kreuzung treffen wir direkt noch auf ein weiteres „Tramperpaar“. Die haben natürlich Vortritt, sie waren ja zuerst da. Wir entscheiden uns dann doch für den Bus, denn es geht in den Süden zu unser zweiten Freundin, die sich gerade auf Sardinien heerumtreibt - Pia + Family. Sie sind ebenfalls im Urlaub und haben uns eingeladen zu ihnen zu kommen. So haben wir einen sehr weichen und auch sehr schönen Start in unser Abenteuer. Willi und Pia sammeln uns in Tirtoli ein, weiter fährt heute kein Bus mehr.
Pia und mir ist der Abschied in Oberhausen sehr schwergefallen, daher ist es jetzt umso schöner noch etwas „quality time“ zu haben. Die „Schleswiger“ fahren schon seit Jahren auf den Campingplatz (Camping Village Capo Ferrato) an die Costa Rei. 5 schöne Tage dürfen wir auch Teil der „Sardinien-Familie“ sein. Wir wechseln zwischen Strand und Campingplatz und verbringen entspannte Tage am Strand beim Wikingerschach, spazieren gehen, schwimmen, auf dem SUP und beim kochen.
Am letzten Tag überlassen uns die „Schleswieger“ sogar ihr Ferienhaus. Es tut richtig gut noch einmal selbst Urlaub zu machen, nachdem die letzten Wochen zu Hause wirklich anstrengend waren.
Am Freitag geht es dann auch für uns weiter zur Hauptstadt Cagliari. Mit unseren großen Rucksäcken fallen wir überall sofort auf und so werden wir von einer Schweizer Familie noch spontan zum Mittagessen eingeladen. Beseelt von so viel Gastfreundschaft sitzen wir im Bus nach Cagliari.
Buongiorno cara famiglia
Leider liegt unser Hostel „Sardinia“ nicht nur außerhalb von Cagliari, sondern sogar in einer anderen Stadt in Quartu Stant‘ Elena.
Dies wäre an sich auch kein tragischer Umstand, wenn die Busse auch abends fahren würden. Doch nach 23:00 Uhr fahren keine Öffis mehr und die Taxen sind sehr teuer. So müssen wir leider auf das Nachtleben in Cagliari verzichten.
Am Sonntag 23.10. geht es weiter zur unserem ersten „Workaway“ Platz nach Ussana. Workaway.com ist eine Online Plattform auf der viele verschieden Jobs für Kost & Logies angeboten werden. Giorgio unser Gast- und Arbeitgeber gestaltet zusammen mit seiner Familie (Mama Linda, Papa Mario, Schwester Rita und seiner Freundin Camilla) die ehemalige Hühnerfarm der Familie zu einem Kulturzentrum mit Restaurant um. Der erste ehemalige Stall (jetzt Bar, Konzerthalle und Restaurant) inkl. Garten ist bereits fertig. Der Hof und die Atmosphäre ist richtig schön und wir können uns nach dem Stress Zuhause gut erholen.
In der ersten Woche in Campidarte erledigen wir folgende Aufgaben: Kühlhaus streichen, „Orleandri“ zurück schneiden, Staub saugen und Service in der Bar. Unser Arbeitsalltag ist also sehr abwechslungsreich. Mittags kocht Mama Linda für alle ein großes gemeinsames Mittagessen. Meistens mit einer Pastavariante als Vorspeise und anschließend Fisch oder Fleisch mit Gemüse. Zum Abschluss gibt es immer einen Espresso mit Keksen und manchmal auch ein Dessert. Außerdem gibt es immer frisches selbstgebackenes Ciabatta Brot. Kurzum wir genießen die italienische Küche.
Ein kurzer Einblick in unseren Alltag auf Campidarte:
8:00 Uhr
Ich stehe auf und gehe meistens eine Runde laufen oder raus für etwas Yoga.
9:30 Uhr
Chris steht auf. Wir bereiten Frühstück vor. Das Frühstück besteht häufig aus geröstetem Brot mit Tomaten und einem Obstteller dazu, was sich jetzt vielleicht recht unspektakulär anhört. Schmeckt hier aber wirklich hervorragend. Erstens haben die Tomaten hier viel mehr Geschmack, zweitens gibt es dazu geschmackvolles Olivenöl und das selbstgemachte Brot von Linda und Mario.(Das Rezept konnten wir den beiden abluchsen. Wir müssen nur die Menge etwas reduzieren.)
10:30 Uhr
Arbeitsbeginn. Wir versuchen uns schon immer am Abend mit Giorgio abzustimmen, was ansteht, sodass wir direkt loslegen können. Ansonsten müssen wir auf dem riesigen Gelände erst jemanden finden, der uns mit Aufgaben versorgt.
14:00 Uhr
ausgiebiges Mittagessen und Mittagspause mit der Familie
15:00-17:00 Uhr
weiterarbeiten oder manchmal auch frei
Wir arbeiten somit 5 Tage die Woche mit jeweils ca. 5 Stunden.
Die Abende sind sehr unterschiedlich. Manchmal kochen wir noch mit Giorgio und Camilla, fahren in die Stadt mit Nina und Piet unseren MitbewohnerInnen oder machen einen Videocall mit FreundInnen.
Nach und nach leben wir uns gut ein. Mit Giorgio, Camilla und Rita verstehen wir uns richtig gut. Mit Linda und Mario würden wir uns gerne mehr austauschen, aber unsere italienisch Kenntnisse sind leider nicht ausreichend. Vieles geht auch mit Händen, Füßen und Übersetzungs-App, aber für eine richtige Unterhalten fehlt dann doch etwas. Am Sonntag den 30.10. machen wir mit Nina und Piet einen Ausflug zur Insel Sant Antioco. Das holländische Pärchen reist zusammen mit ihrer Katze durch Europa. Piet arbeitet von unterwegs und Nina ist Künstlerin. Sie sucht nach Projekten in denen sie für eine begrenzte Zeit mitwirken kann. Häufig stellen die Projekte dann eine Unterkunft, wie in diesem Fall. Wir haben die beiden mit Kater „Pusch“ sehr lieb gewonnen.
Am Montag ist Feiertag in Italien, deswegen macht Giorgio frei und er nimmt uns zu einer Geburtstagsfeier eines Freundes mit. Die Party findet mitten in der Natur auf einem Berg statt. Es wird gegrillt, viel Wein und Grappa getrunken und jeder bringt etwas anderes Köstliches mit. Hier probieren wir auch den „gefährlichsten Käse der Welt“. Dieser ist von Maden durchsetzt und darf aufgrund der Herstellungsweise eigentlich nicht mehr in der EU verkauft werden. In den Dörfern Sardiniens wird er aber noch immer heimlich produziert. Wir genießen die ausgelassene Stimmung, die Musik und das bunte Treiben. Am Abend geht es auf ein paar weitere Bierchen in den „RadioX Club“ in Cagliari.
Auch in der zweiten Woche sind unsere Aufgaben in Campidarte sehr vielfältig. Dazu gehört zum Beispiel Oliven und Mirta (eine Beerensorte) pflücken, Kräuter ernten und trocknen, die Oliven- und Apfelbäume von neuen Trieben befreien und Staub saugen. Die Hallen, in denen zuvor die Hühner lebten sind so riesig und bei unserer 4 stündigen Arbeitszeit, kommt es auch mal vor, dass wir einen Tag nur Staub saugen. Auch wenn die Ställe leer sind, werden vor Ort noch immer in der Brutstation Küken gezüchtet und an andere Bauernhöfe abgegeben. Montags und Freitags ist in Campidarte immer noch „Schlüpftag“. Am Freitagmorgen (5:00 Uhr) raffen wir uns auf und schauen uns das Kückenschlüpfen an bzw. helfen sogar mit. Dies ist allerdings nichts für schwache Nerven. Zum einen riecht es ziemlich streng nach faulen Eiern und zum anderen ist es keine schöne Aufgabe, diese kleinen flauschigen Wesen in Kisten zu setzen.
Am Wochenende geht es mit Piet und Nina in die Stadt Cagliari. Wir essen zusammen in der „Pippette“, ein sehr schickes Bistro mit ausgefallenen Snacks. Ein echt schöner und guter Laden. Außerdem - und jetzt werden wir uns bestimmt keine Freunde machen - probieren wir ein traditionelles Pferdesandwich, eine Spezialität auf Sardinen. Schmeckt gut, aber nicht außergewöhnlich.
Auf unseren Arbeitseinsatz am Sonntag freuen wir uns schon. Heute dürfen wir bei einer Veranstaltung im Restaurant helfen. Zunächst sind wir aber eingeladen und selber Gäste. Wir genießen das schöne Essen und teilen uns die Hauptgänge, um mehr probieren zu können. Am Abend sammeln wir dann unsere ersten Gastronomieerfahrungen, besonders die Arbeit in der Küche gefällt uns. Die Aufgaben im Service sind bei fehlenden Sprachkenntnissen schon eine Herausforderung, wie wir feststellen. Ich bin erleichtert, dass wir im deutschsprachigen Österreich in einem Hotel arbeiten werden. Aber auch die Küche hält Tücken bereit. Chris ist für die Vorspeise mit pochierten Eiern und Spinat zuständig. Dies wird in kleinen Tonschälchen serviert. Trotz Eiüberschuss, fehlen am Ende welche, weil zu viele kaputt gehen.
In der letzten Woche kommen wir außerdem in den Genuss von zwei Abschiedsessen, weil Giorgio seine Eltern nicht informiert hat, dass wir drei Tage länger bleiben, als zunächst geplant waren. Oder er hat damit kalkuliert und wollte auch zweimal in den Genuss von Papa Marios Grillkünsten kommen. Uns hat die Zeit in Campindarte sehr gut gefallen. Es wird mit Sicherheit nicht unser letzter Besuch an diesem schönen Ort gewesen sein.
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