Die ersten Tage in China kommen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Wie entspannt können denn bitte Megametropolen sein?! Damit haben wir nach Rom, Istanbul und Ulaanbaatar nicht gerechnet. Wir erkunden das herbstliche Peking per Rad und Besuchen mit der Terrakottaarmee und den Pandas in Chengdu, die China-Wahrzeichen schlecht hin.
Wir surfen fast 30 Tage durch China, in interessanten Hotels und auf 5 unterschiedlichen Couchen bei herzlichsten GastgeberInnen. Wir haben nicht erwartet, dass wir hier unsere bisher beste Couchsurfingquote haben werden, was Rückmeldungen, Zusagen, Sympathielevel und Komfort angeht. Wir haben fast immer ein eigenes Zimmer. Wir verstehen uns ausnahmslos super mit unseren GastgeberInnen, die auch alle sehr gut Englisch sprechen. Und es herrscht eine gute Balance zwischen gemeinsamen Aktivitäten und Privatsphäre.
Zuerst einmal schlafen wir aber in Badaling einem kleinen Dorf direkt an der chinesischen Mauer. Wir haben uns für einen chinesischen Altbau entschieden. Der Gasthof ist im Karree gebaut, ebenerdig und aus grauem Stein. Der Innenhof rundet das Ambiente perfekt ab. Und obwohl wir am Vormittag ankommen und die chinesische Mauer bereits in der Ferne erahnen können, gehen wir erst einmal schlafen. Nach zwei Nächten im Zug, aus Ulaanbaatar in der Mongolei kommend, mit zwei Umstiegen mitten in der Nacht, sind wir einfach platt. So ziehen wir uns die Schuhe aus und fallen aufs Bett, das wir heute genießen. Den Aufprall aufs frisch duftende Kissen bekommen wir schon gar nicht mehr mit, übermannt uns die Müdigkeit schneller. Wahrscheinlich hätten wir bis zum nächsten Morgen durchschlafen können und obwohl der Gasthof wirklich schön ist, sind wir ja eigentlich wegen etwas anderem hergekommen. Die Neugier siegt schließlich doch und wir schaffen es aus dem Bett. Auf dem Weg kommen uns Massen chinesische Reisegruppen entgegen. Für die meisten scheint bereits Abreise zu sein. Unser Glück – an den Sicherheitskontrollen und dem Ticketverkauf müssen wir nicht warten, sondern können direkt durchgehen….
Und dann stehen wir auf der Chinesischen Mauer, dem zweiten Weltwunder unserer Reise. Nahezu ein Jahr hat es gedauert bis wir nach dem Colosseum in Rom nun hier am zweiten Weltwunder auf unserer Reise stehen. Für uns ist es fast noch das größere Wunder, dass wir es nach 15.000 km per Anhalter, zu Fuß in Zügen und Bussen bis hierhergeschafft haben. Ein Traum, den wir lange Zeit aufgeschoben und uns doch bewahrt haben, ist nun in Erfüllung gegangen. Es fühlt sich gut an hier zu stehen. Auch weil wir einen wunderschönen Herbsttag erwischt haben und es entgegen der Befürchtungen nicht von Menschen wimmelt. Im Gegenteil zum Sonnenuntergang haben wir die Mauer für uns und können ganz in die Rottöne eintauchen, die die untergehende Sonne in das bunte Laub der Blätter zaubert.
Wo sind die 22 Millionen Menschen hin???
Wir lernen schnell, dass es zwar unzählige Züge und Verbindungen in China gibt, aber auch Unmengen an Menschen, die diese Züge nutzen. Wir sind entsprechend verdutzt, als der 15-Minuten getaktete Schnellzug von Badaling nach Peking am nächsten Tag ausgebucht ist. Wir nehmen also den Bus und fahren statt 20 Minuten, 2 Stunden und im Stehen, da wir wohl nicht die einzigen waren, die ihre Tickets spontan kaufen wollten. Dann kommen wir auch nicht zentral an einer U-Bahn-Station, sondern im Industriegebiet an. Von wo unsere Schnitzeljagd mit der chinesischen Navigationsapp zum verabredeten Treffpunkt startet. Dort holt uns Phil, unser erster chinesischer Gastgeber ab.
In Phils Wohnung finden wir uns hingegen direkt zurecht, denn sie scheint direkt einem schwedischen Möbelhaus entsprungen, das uns ebenfalls vertraut ist. IKEA ist wohl bis zum chinesischen Markt vorgedrungen. Als wir dann sogar das Wasser nach vielen Monaten mal wieder aus dem Wasserhahn trinken können und Phil erzählt, dass er regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, müssen wir uns erstmal versichern wirklich in Peking und nicht irgendwo falsch abgebogen zu sein.
Und was gäbe es da besseres als Peking-Ente? Zusammen geht es also zu einem echten China-Restaurant, welches hier nicht Bambusgarten, Mandarin-Buffet oder golden River heißt. Wir probieren in einem unaussprechlichen Laden (was wahrscheinlich übersetzt doch Bambusgarden heißt), eine Peking-Ente aus dem Holzofen und sind froh Phil dabei zu haben, denn er weiß, wie sie gegessen wird. Wir hätten nicht gewusst, wie diese kleinen Wraps, ganz anders, als unsere klassische 29a mit gebratenen Nudeln hier zusammengestellt und anschließend gerollt werden. Lernen aber schnell, dass es recht wenig damit zu tun hat, was in Deutschland als Peking-Ente verkauft wird. Unsere Essstäbchen-Skills sind hingegen schon vorzeigbar und so freuen wir uns, dass alles in der Mitte steht, wir uns alle kleinen Gerichte teilen und so alles probieren und heute sogar erklärt bekommen.
Auch das nächste Peking-Highlight lässt nicht lange auf sich warten. Es ist Sonntag, deswegen hat Phil auch frei und wir fahren mit den blauen Alipay Leihfahrrädern zusammen zu den „Hutongs“, den alten Quartieren der chinesischen Altstadt. Wenn uns jemand erzählt hätte, dass wir die riesige Hauptstadt im mit ihren 22 Mio. Einwohnern per Rad und noch dazu mit einem Couchsurfing-Gastgeber erkunden, hätten wir ihm/ ihr noch vor wenigen Tagen einen Vogel gezeigt. Das schien für uns unmöglich.
Doch so radeln wir durch die unerwartet frische Herbstluft durch die Stadt. Wir scheinen ohnehin von Nord nach Süd mit dem Herbst zu reisen. In der Mongolei waren die Blätter leuchtend gelb und auch Peking erstrahlt in allen Farben des Herbstes. Gelbe kleine Blätter, große rote Ahornblätter, goldfarbene Sträucher und dazwischen der grüne Bambus. Traumhaft schön und so sind wir meistens nicht die einzigen, die im Laub posieren.
Für ChinesInnen sind nicht selten auch wir ein offenbar interessantes Fotomotiv. Es sind nur wenige ausländische TouristInnen im Land, was wohl auch an den bisher schwierigen Visaprozeduren lag, uns wird dadurch eine große Aufmerksamkeit zuteil. (Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Visafreie Einreise in die Volksrepublik China. Ob sich die Situation aufgrund der neuen Visa-Politik schon geändert hat, wissen wir nicht.) Wir werden häufig als „Guóji youren“ bezeichnet, das so viel wie „internationale FreundInnen“ bedeutet. Wir mögen den Begriff und es ist doch schön, so Willkommen geheißen zu werden. Phil hat uns übrigens die Bezeichnung übersetzt, weil wir damit selbstverständlich nichts anfangen konnten. Auch „Degua“ – Deutschland können wir mittlerweile heraushören. Meinen wir zumindest, bis uns jemand sagte, dass sich Dänemark – „Danmai“ und Amerika – „Megua“ sehr ähnlich anhören.
Die geringe Anzahl an internationalen TouristInnen führt nicht selten zu absurden Situationen. Beispielsweise schreiben wir der verbotenen Stadt, eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten weltweit eine sticknormale E-Mail, um eine Reservierung vornehmen zu können. Eine Online-Anmeldung ist notwendig. Das Online System ist jedoch nur für chinesische StaatsbürgerInnen ausgelegt. Fanden wir diese Situation schon absurd, wird es in der verbotenen Stadt noch verrückter. Nachdem wir eine schüchterne Schülerin, die permanent um uns herumschlich angeboten haben, ein Foto von uns zu machen, finden wir uns 5 Minuten später in einer Traube chinesischer Schulklassen wieder. Nach gefühlten 500 Fotos schnappen wir uns die Hand des anderen und marschieren einfach los. Nicht die höflichste Art und Weise zu verschwinden, aber wir wissen nicht wie wir uns aus der Situation manövrieren sollen. Nun sind wir es die durch die verbotene Stadt schleichen, um nicht von weiteren SchülerInnen erspäht zu werden. Schließlich müssen wir pünktlich an der Gepäckaufbewahrung sein. Dort konnten wir den Tag über unseren Rucksack deponieren und können nun direkt weiter zum Bahnhof von dem am Abend unser Zug geht.
Über Nacht von der verbotenen in die alte Kaiserstadt
Uns steht die nächste Nachtfahrt und eine weitere bedeutende Sehenswürdigkeit bevor. Wobei wir dafür eigentlich nur in unsere Nachbarstadt gemusst hätten. „Die Terrakotta Armee habe ich doch schon in Mülheim gesehen.“, kommentiert Chris Mama unseren Abstecher nach Xi´An und ermutigt uns natürlich trotzdem die Terrakotta Armee zu besichtigen.
Wir wissen nicht, wann wir das letzte Mal so viele weltberühmte Sehenswürdigkeiten in so kurzer Zeit gesehen haben. Vermutlich war es noch nie der Fall. Denn normalerweise fangen wir den Vibe der Stadt lieber bei einem Spaziergang, in einem gemütlichen Café, im Park oder auf einem Straßenmarkt ein. „Aber, wenn man schon einmal hier ist.“, denken wir uns und suchen die Busverbindung zur Terrakotta Armee raus. Ahmed unser Gastgeber ist zwar selbst gebürtiger Pakistani, aber schon lange genug in China und in Xi’An, um uns den Weg zu erklären. Und er freut sich immer, wenn er helfen kann. Ahmed ist einer der wenigen Menschen, dem wir diesen Satz sofort glauben. Er ist stets aufmerksam und so schaltet er sich auch direkt ein, als Chris überlegt sich eine neue Hose zu kaufen. Sein Cousin zweiten oder dritten Grades arbeitet in einer Levis Fabrik in Pakistan und da fällt wohl schon einmal die ein oder andere ab. Jetzt gibt es für Ahmed nur ein Problem… Er kann ja nicht Chris etwas schenken und mir nicht. Und so bekomme auch ich am letzten Tag noch ein Präsent, Haargummis und Lippenpflege – „Beides kann man immer gebrauchen“. Recht hat er. "Zumindest, wenn man lange Haare hat", gibt Chris noch zu bedenken. Das Beste an unserem Aufenthalt mit Ahmed ist jedoch, dass wir die gleiche Leidenschaft teilen und so steht auch schnell fest wie wir uns revanchieren…
Wir überlegen kurz, ob wir in den richtigen Bus gestiegen sind, denn wir sind Einzigen. Aber die kleinen Soldaten auf unserem Ticket sind vielversprechend. Und so stehen wir wenig später in der Halle der Soldaten. Wir sind ehrfürchtig. Ehrfürchtig vor den KünstlerInnen und ArbeiterInnen, die dieses Werk geschaffen haben. Ehrfürchtig vor der historischen Bedeutung und der Kultur, die dahintersteht. Auch ehrfürchtig vor dem König und seiner Macht und doch gleichermaßen erleichtert in einer anderen Zeit geboren zu sein.
Die Soldaten wirken auf den ersten Blick, wie eine einheitliche Masse, aber alle sind individuell. Jeder Mensch und jedes Tier hat ein eigenes einmaliges Gesicht, auch die Rüstung und Kleidung birgt viele kleine Details, die früher als die Soldaten noch bunt verziert waren, noch deutlich hervorgetreten sein müssen.
Die Ausgrabungen dauern weiter an und die Hauptkammer ist vermutlich noch nicht gefunden worden. Ein weiterer Punkt, der uns Ehrfurcht einflößt. Das Grab war Jahrhunderte verschollen und das bei einer geschätzten Flächengröße von der Stadt Gelsenkirchen. Hinzukommt, dass unzählige ArbeiterInnen an diesem Projekt beteiligt gewesen sein müssen. Wie konnte dieser unbeschreibliche Ort jemals vergessen werden? Eine Frage, deren Antwort wir wohl nie ganz begreifen werden.
Panda Diplomatie
Chinesische Mauer, verbotene Stadt, Terrakotta Armee, was fehlt uns da noch von den chinesischen Wahrzeichnen - Pandas. Pandas stehen in der chinesischen Kultur für Frieden und Freundschaft. Da alle Pandas außerhalb Chinas Leihgaben sind, wird auch von der Panda-Diplomatie gesprochen. Denn verschlechtern sich die Beziehungen kann es vorkommen, dass Pandas abgezogen und zurückgefordert werden. Selbst im Ausland geborene Pandas gehören rechtlich dem chinesischen Staat. Über die Panda-Diplomatie wurden wir passender Weise in der Zeit unseres Chengdu Aufenthalts in einem Funk-Post aufgeklärt.
Chengdu ist die Panda Stadt Chinas. Hier unschwer zu erkennen.
Da Pandas absolut super faul sind, müssen wir früh da sein, wenn wir sie zumindest in ein wenig Aktion erleben wollen. Denn zum Frühstück lassen sie sich noch am ehesten zur Bewegung animieren. Wir stehen deswegen entsprechend früh auf und können wunderbar mit den Augenringen der Pandas mithalten, da hilft auch der Coffee-To-Go im schicken Panda-Becher nicht. Offensichtlich wussten auch die anderen BesucherInnen von diesem Tipp. Obendrein scheint die Panda-Station auch ein beliebtes Ausflugsziel für Schulklassen zu sein. So müssen wir an einigen Stellen lange anstehen oder finden eben keinen Platz zum Stehen. Trotzdem kriegen wir einige Pandas zu Gesicht, teilweise sogar in Aktion. Aber auch beim Schlafen sind die pummeligen Bären hinreißend zu beobachten.
Hingerissen sind wir auch von der Panda-Post, die wir wenig später zufällig entdecken. Über einen Panda im Briefkasten, wenn auch nur in Papierform freut sich doch jeder und so beschließen wir ein paar Postkarten an unsere Liebsten daheim zu versenden. Mal schauen wer früher ankommt, die Karten oder wir.
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